Unsere Buch-Tipps

„Dominovobisdu“
Sizilien, gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Giovanni Bovara kommt als Inspektor der Steuerkontrolle in ein kleines Provinzstädtchen. Er soll die Mahlsteuer für die umliegenden Getreidemühlen erheben. Doch in Montelusa ist eigentlich alles klar geregelt und in scheinbar bester Ordnung. Nun aber geschieht etwas Unerwartetes: Der Inspektor hat tatsächlich vor, seine Aufgabe ernst zu nehmen und ist davon auch nicht durch die Tatsache abzubringen, dass seine beiden Vorgänger im Amt ziemlich schnell „verschwunden“ sind. Außerdem gibt es da noch den Priester, der sich in seiner Gedankenwelt nahezu pausenlos als Schürzenjäger betätigt und ein seltsames Latein predigt, eine ebenso schöne wie gerissene Witwe und Don Cocò, der glaubt, alles und jeden in der Hand zu haben. Dies ist die Ausgangslage für den großartigen historischen Roman „Die Mühlen des Herrn“ von Andrea Camilleri, in einer Neuauflage als Taschenbuch wieder erschienen. Es wird eine rasante Geschichte in Gang gesetzt, in der völlig unerwartete Dinge wie das Verschwinden einer kompletten Mühle über Nacht geschehen. Für mich ist das Buch neben „Der unschickliche Antrag“ einer der beiden besten Romane, die Camilleri veröffentlicht hat. Ein großartiges Werk voller Witz, viel Spannung und einem Augenzwinkern!
Martin Schick

Andrea Camilleri
„Die Mühlen des Herrn“

Wagenbach Verlag Berlin 2000, 2020
235 Seiten
14,- Euro

Frankreich – das ist nicht nur Camembert und Croissant
Bitte kein Frankreichurlaub ohne Nadia Pantels Buch „Das Camembert-Diagramm“! Magisch angezogen von unserem Nachbarland Frankreich dürfen wir uns doch hin und wieder fragen – wie genau kennen wir unseren wichtigsten Nachbarn? Pantel, Halbfranzösin, weiß, von was sie uns berichtet. Sie wirft viele Blicke auf Kultur, Leben und Gesellschaft, doch das populärste französische Exportgut ist und bleibt das Essen. Mit wunderbarem Charm, viel Witz und erstaunlichen Neuigkeiten reist sie mit uns von den Austernbänken der Bretagne in die Banlieus von Paris, streift den Camembert-Stolz der Normandie, vergisst den Süden nicht und erklärt uns die Zusammenhänge von Pain au Chocolate und Kindererziehung. Sie wünschen sich, dass der Urlaub in Frankreich andauert und dieses Buch niemals endet – wirklich!
Angelika Mahr

Nadia Pantel
„Das Camembert-Diagramm“

Rowohlt Verlag
224 Seiten
24,- Euro<

Fatales Schweigen
Das auslösende Ereignis ist schnell erzählt: Ein Kleinkind schiebt einen großen Hammer über den Balkon und ein Passant wird von diesem erschlagen. Die Auswirkungen sind fatal, denn der Verdacht fällt auf einen arabischen Arbeiter und das verhängnisvolle Schweigen der israelischen Mutter löst ein kaum aufzuhaltende Kettenreaktion aus. Das Misstrauen zwischen Arabern und Juden ist so groß, dass die israelische Autorin und Psychologin Ayelet Gundar-Goshen keinen Ausweg für ihr Land sieht, aus der Spirale von Hass, Vorurteilen und Ängsten zu kommen. Welch ein großartiger Blick hinter Israels Fassade!
Angelika Mahr

Ayelet Gundar-Goshen
„Ungebetene Gäste“

Kain & Aber
320 Seiten
25,- Euro

Blickwechsel
20.000 Elefanten mitten in Berlin – welch humorvoll groteske Idee für einen Roman, der durchaus Wirklichkeit werden könnte. Es ist nicht der Klimawandel, der die Dickhäuter nach Deutschland kommen lässt, es ist der Staatspräsident von Botswana, der nach einem Einfuhrverbot für Jagdtrophäen, die Lebensgrundlage für sein Land entzogen sieht und deshalb mehr und mehr Elefanten auf die Reise schickt, Gaea Schroeters, die niederländische Autorin des überaus erfolgreichen Buches „Trophäe“, stellt mit diesem Perspektivwechsel einen Roman vor, der auf schmunzelnde Art und Weise die globalen Beziehungen auf den Kopf stellt.
Thomas Mahr

Gaea Schoeters
„Das Geschenk“

Paul Zsolnay Verlag
144 Seiten
22,- Euro

Auf den Spuren portugiesischer Seefahrer
Keine der 750 Seiten in Erika Fatlands Buch über Portugals vergangenes Weltreich ist zu viel. Atemlos verfolgt man ihre Reisen. Erstaunlich, dass das kleine Land am Rande Europas einmal fast die halbe Welt zu seinen Kolonien zählen konnte. Die norwegische Autorin, bekannt geworden durch ihr erstes Reisebuch, ihre „Umrundung“ der einstigen Sowjetunion. Sie verknüpft das Historische mit der gegenwärtigen Situation in jenen Ländern Schwarzafrikas, Asiens und dem heutigen Brasilien. Mancherorts findet sie kaum noch Spuren der Kolonialzeit, anderswo wiederum erzählen die Menschen noch heute von den schmerzhaften Erfahrungen. Ferdinand Magellan und Vasco da Gama, die Helden der Zeit der Entdeckungen, ihnen ging es nicht nur um die Ehre, es ging um Gewürze, Gold und leider sehr bald auch um Sklaven.
Thomas Mahr

Erika Fatland
„Seefahrer“

Insel Verlag
751 Seiten
30,- Euro

Dunkel wie der Schwarzwald
Kristina Hauffs neuer Roman „Schattengrünes Tal“ führt in ein trügerisches Idyll im nördlichen Schwarzwald. Längst vorbei sind die besten Jahre im Hotel „Zum alten Forsthaus“. Lisa, die Tochter des störrischen alten Besitzers, versucht zu retten, was zu retten ist. Doch wie lassen sich Ehe, Beruf und das Kümmern um das Hotel miteinander verbinden. Da kommt mit Daniela plötzlich eine fremde Frau, die sich dauerhaft einmietet und Lisa mehr und mehr aus ihrer Rolle drängt. Dabei war es doch Lisa, die Daniela zu Beginn geholfen hat, sich hier häuslich einzurichten.
Thomas Mahr

Kristina Hauff
„Schattengrünes Tal“

hanserblau
304 Seiten
24,- Euro

Sie will ihre eigenen Buchhandlung
Heute ganz normal, dass eine Frau Chefin in der Buchhandlung ist. in den frühen 1960ern doch eher die Ausnahme. Marina Bergmann, selbst vom buchhändlerischen Virus betroffen, lässt in ihrem zweiten Roman ihre Protagonistin gegen alle Widerstände diesen Schritt wagen. Es ist ein humorvolles Buch geworden, das so klug die Stimmung jener Jahre des Aufbruchs, des Wirtschaftswunders einfängt und dabei gleichzeitig hinter die Kulissen des Buchhandels blicken lässt.
Thomas Mahr

Martina Bergmann
„Das Fräulein Buchhändlerin“

Eisele Verlag
256 Seiten
23,- Euro

Mit Winterberg reisen, mit der Bahn selbstverständlich!
Jetzt, da uns die Zeitzeugen der so oft von Gott verlassenen ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts sterben, hat der tschechische Schriftsteller Jaroslav Rudiš mit seinem Wenzel Winterberg einem Menschen in seinem Roman das Leben verlängert. Er will erst sterben, wenn er sich auf die Reise begeben hat durch die alte Heimat in Böhmen, durch das ehemalige Habsburger Reich, das ja erst in Sarajewo endet. Winterberg erweist sich nicht nur als Kenner der alten Schauplätzen, der Kriege zwischen den Österreichern und den Preußen, er zeigt sich als Kenner der Eisenbahngründerzeit und Fachmann für die Geschichte der Feuerbestattung. Die Reise dauert über 500 Seiten, in dem der tschechische Begleiter, „der Fährmann des Todes“ unfreiwillig mehr und mehr zum Schüler seines Fahrgastes wird. Dieser wiederum leidet nicht etwa als ein Opfer an der Geschichte, sondern als einer, der nicht vergessen kann, dass er seine große Liebe in Zeiten der Nazis, auf die Flucht und doch in den Tod geschickt zu haben scheint. Aber auch der Begleiter hat seine Geschichte zu erzählen. Hilfsmittel auf dieser großartigen Eisenbahnodyssee ist ein Reiseführer aus dem Jahr 1913, ein Baedeker Österreich-Ungarn, der zumindest in Mitteleuropa noch keine Grenzen kannte. Gehen sie mit auf diese außergewöhnliche Reise - lehrreich und gut für so viele Überraschungen…
Thomas Mahr

Jaroslav Rudis
„Winterbergs letzte Reise“

btb Verlag
544 Seiten
14,- Euro


Oma und Opa…
…waren auch mal jung und obercool noch dazu. Bis der kleine Junge das endlich merkt, vergeht ein ganzes Bilderbuch. Aber dann - von wegen Ferien bei den Großeltern sind langweilig! Vielleicht hätte es den Fund des alten Koffers gar nicht gebraucht. Eine wahre Schatztruhe mit Bildern von zwei jungen Menschen, die ganz schön viel erlebt haben. Tolle Abenteuer, coole Musik und vor allem echt krasse Klamotten, die Bilder und die kleinen Dinge in dem Koffer zeigen ein Paar, das ein glückliches Leben geführt hat.
Aber hätte der kleine Detektiv nicht schon lange merken können, dass Oma und Opa immer noch für jeden Spaß zu haben sind? Also sind Ferien bei den Großeltern gar nicht so langweilig wie gedacht und wenn die beiden erst richtig aufdrehen, da kann dann schon mal die Post abgehen. Was für ein wunderbares und liebevolles Bilderbuch und - liebe Omas und Opas - öffnet Eure Koffer der Erinnerung und feiert diese mit Euren Enkeln.
Thomas Mahr

Daniela Sosa
„Geheimnisvolle Ferien bei Oma und Opa“

Bilderbuch
Knesebeck Verlag
40 Seiten
16,- Euro


Eine Puppe für den kleinen Bruder
„Wie kommt die „schräge“ Tante auf die Idee dem kleinen Nico eine Puppe zu schenken“, denkt sich der große Bruder. „Puppen sind doch nicht für Jungs“, meint der Papa und löst fast ein Drama aus, als Nico diese mit in die Schule nehmen will. Als nötiger Ersatz muss Spielzeug für Jungs her. Nur was tun, wenn der geschenkte, großartige Werkzeugkasten von den Brüdern genutzt wird einen Puppenwagen zu basteln?
Herrlich amüsant und lustig für kleine und große Leser, wie Autor und Zeichner mit dem Rollenverständnis und den Klischees der Zuordnungen der Geschlechter umgehen. Ein Beweis dafür, dass man dieses Thema auch ganz entspannt sehen kann. Nico ist selbstbewusst und wird sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen und ich denke mal der Papa ist hoffentlich lernfähig …
Thomas Mahr

Ludovic Flamant
„Puppen sind doch nichts für Jungen!“

Illustriert von Jean Luc Englebert
Picus Verlag
40 Seiten
15,- Euro

Das Glas Wein, das auf dem Tisch stehen bleibt
In Cremenaga, einem kleinen italienischen Dorf unmittelbar an der Grenze zur Schweiz, hat Giuseppe Vaglio Menschen jüdischen Glaubens geholfen, über den Grenzfluss Tresa in die Schweiz zu gelangen. Er wird von einem Mann aus dem Dorf denunziert und im März 1944 während eines Essens mit der Familie verhaftet. Seine 16 Monate dauernde, furchtbare Leidenszeit beginnt. Seine Frau und ihre beiden Kinder bleiben mit den Großeltern im Bergdorf zurück, leben im Ungewissen und in ständiger Angst, was da noch kommen mag…. Wir bekommen die Geschichte aus zwei Perspektiven im Wechsel erzählt, mal aus der Sicht von Giuseppe, der über mehrere Stationen schließlich ins Konzentrationslager Mauthausen kommt, mal aus dem Erleben von Concetta, seiner Frau, die versucht, mit ihren Kindern unter immer schwieriger werdenden Lebensbedingungen durchzukommen und die ihren Mann so sehr vermisst.
Fabio Andina, 1972 im schweizerischen Lugano geboren, erzählt meisterlich die Geschichte seiner Großeltern; er erhebt die Stimme vor allem für Giuseppe, der nach seiner Rückkehr 1945 unter schwierigsten Bedingungen nie wieder über diese 16 Monate sprechen wollte. Man merkt, dass der Autor Filmwissenschaften und Drehbuch studiert hat, denn es gelingt ihm unglaublich gut, Bilder in unserem Kopf entstehen zu lassen. Ein ausgezeichnetes Buch, das uns vor Augen führen sollte, dass sich in diesen Tagen nicht nur das Ende des zweiten Weltkrieges zum 80. Mal jährt, sondern dass dies gleichzeitig auch der 80. Jahrestag des Endes einer verbrecherischen, bestialischen und unmenschlichen Diktatur ist, die von Deutschland ausgehend Angst und Schrecken in Europa und Nordafrika verbreitete.
Martin Schick

Fabio Andina
„Sechzehn Monate“

Edition Blau im Rotpunktverlag Zürich 2025
209 Seiten
25,- Euro

Das Buch ist in unserer Buchhandlung erhältlich!


Auch ein Storch kommt selten allein
Es liegt sicher nicht an dem Zuwachs in der Storchenstadt Langenau; es war eine Frage der Zeit, bis bei den exquisiten „Naturkunden“ die Störche auftauchen, in der Reihe, in der sich schon Fuchs und Hase Gutenacht sagen. Das Porträt das Johannes Zeilinger von diesen Vögeln zeichnet ist symbolträchtig der 111. Band der Reihe und beginnt mit den Mythen und Fabeln. Wie gerne blättert man in diesem wieder so gelungen illustrierten und wertvoll gestalteten Bändchen. Der Autor räumt aber auch auf mit manchem, was den Störchen so angedichtet wird. Mit dem Überwintern in Afrika scheint es vorbei zu sein. Als Indikator für den Klimawandel machen sie Halt, ähnlich den deutschen Touristen, in der gar nicht mehr so kalten Jahreszeit und den südlichen Ländern Europas. Allerdings ernähren sie sich von den Resten der Müllhalden. Viele kennen den Storch schon, bevor wir ein Exemplar mit eigenen Augen sehen, denn er taucht in fast allen Märchensammlungen der Welt auf, als zumeist positiv besetzte Figur. Gilt der Storch immer noch als monogam, so kennt er die Treue nur gegenüber seinem Nistplatz, den er immer wieder aufsucht und nicht unbedingt einem Partner. Diese Standorttreue macht es dann verständlich, dass die Störche nicht einzeln bleiben, so dass bei günstigen Bedingungen die Kolonien immer größer werden.
Thomas Mahr

Johannes Zeilinger
„Störche“

ein Portrait der „Naturkunden 152 Seiten
Matthes & Seitz Verlag
22,- Euro

Ein glückliches und glückbringendes Leben
Alexander Solloch, der Autor dieser wunderbar unterhaltsamen Biografie von Harry Rowohlt, ist diesem zu Lebzeiten nur ein einziges Mal begegnet. Und doch hat er sich dazu entschieden, ein Buch über den großartigen Übersetzer, Schauspieler, Briefeschreiber, Vorlesenden auf „Tingeltouren“ und skurrilen Menschen Harry Rowohlt zu schreiben. Er bekam von Rowohlts Ehefrau Ulla Zugang zu allen Briefen und Unterlagen, hat Gedanken und Erinnerungen von Freunden und Weggefährten zusammengetragen und so die „wahre“ Lebensgeschichte von Harry Rowohlt zusammengestellt. Dieser hatte zwar mit Ralf Sotscheck selbst eine solche eingesprochen, aber viel Erzähltes davon war halt „Harry-Rowohlt-Realität“ und geistreich dazuerfunden. Doch keine Angst, Alexander Solloch hat einen herrlich schnoddrig-unterhaltsamen Stil, und viele Zitate von Rowohlt sind ebenfalls mit eingebaut, sodass die gesamte Lektüre bei ihnen zugleich zu reichlicher Erheiterung und Lachanfällen führen wird. Wer dieses Buch liest, wird verstehen, warum Harry Rowohlt so großartig war – und warum ich ihn sehr vermisse.
Martin Schick

Alexander Solloch
„Harry Rowohlt - Ein freies Leben“

Kein + Aber Verlag
279 Seiten
26,- Euro<


 

Eine Pionierin der Filmgeschichte
Schon als Kind war sie fasziniert von den Bildern des Panoptikums ihres Vater, das die Wiener um die Jahrhundertwende anlockte. So verschrieb sich Luise Kolm ganz und gar dem Wunder der Bilder, die das Laufen gelernt haben. Felix Kucher beschreibt in seinem Roman eine engagierte Frau, der es wichtig war nach dem schrecklichen Ersten Weltkrieg sozialkritische Themen auf die Leinwand zu bannen. 1919 wagte sie sich mit Ihrem Mann an Grillparzers Trauerspiel „die Ahnfrau“, ein Stummfilm, der sich in der Filmgeschichte seinen Platz erobern sollte. Erst die Nationalsozialisten unterbanden ihren Schaffensdrang. Ihr zweiter Mann kam in das Konzentrationslager Dachau. Nach dem Krieg gelang es dem filmschaffenden Ehepaar nicht mehr, in der Branche Fuß zu fassen. Sie gerieten in Vergessenheit. Dies verschafft aber Marc, der gerade seinen Job im Filmarchiv verloren hat, die Gelegenheit auf Spurensuche zu gehen nach alten Filmrollen, die ihn bis in die Ukraine führen. So könnten ihm 100 Jahre später die alten Filme zu einer akademischen Karriere verhelfen. Gleichzeitig würde er mit dem Fund auch die große österreichische Frau des Kinos wieder in Erinnerung rufen.
Thomas Mahr

Felix Kucher
„Von Stufe zu Stufe“

Roman
Picus Verlag
256 Seiten
24,- Euro

 

Otto Dix
"Portrait von Anita Berber"

Man kann alles tanzen
Im Sommer 1928, noch keine 30 Jahre alt, liegt sie schwindsüchtig im Krankenhaus. Die Diakonissinnen schauen abschätzig auf Anita Berber, die maßlose Sünderin, die verruchte Tänzerin der goldenen Zwanziger Jahre. Allen hat sie den Kopf verdreht, die Geschlechterrollen vertauscht und keine Droge verschmäht, um an ihre Grenzen zu kommen. Heute ist sie fast vergessen, doch ihr damaliger Bekannten- und Freundeskreis von Marlene Dietrich über Fritz Lang und Leni Riefenstahl, liest sich wie das „Who ist Who“ der Weimarer Republik und zeigt, wie bekannt die skandalumwitterte Frau damals war. Einzig Otto Dix hat sie nicht vergessen. Der Maler, der das berühmte rote „Bildnis einer Tänzerin“ geschaffen hat, besuchte sie am Krankenbett.
Steffen Schroeder, selbst Schauspieler, nimmt uns Leser in seinem Roman über jene Femme fatale mit auf eine Lebenstournee von Berlin nach Wien, über Budapest und weiter in den Nahen Osten. Immer wieder schwor sie Skandale herauf, provozierte, ging auch keiner Rauferei aus dem Weg. Manche Stadt musste sie fluchtartig verlassen und so mancher Scheck war nicht gedeckt…Der Autor zeigt nicht nur das exzentrische Leben, blickt zurück auf die Künstlerkindheit der kleinen Anita, er erzählt uns auch sehr kenntnisreich von der schillernden, skandalumwitterten und doch so glanzvollen Kultur der Weimarer Jahre.
Thomas Mahr

Steffen Schroeder
„Der ewige Tanz“

Anita Berber, Ikone und Mythos der 20er Jahre
Rowohlt, Berlin Verlag
304 Seiten
24,- Euro

Letzte Reise eines Revolutionärs
Am Ende seines Lebens verlässt Karl Marx zum ersten Mal den europäischen Kontinent in der Hoffnung, in Algier vielleicht wieder gesund zu werden. Er ist erstaunt und eingenommen von der gänzlich anderen Kultur und Lebenseinstellung, auf die er dort trifft. Doch in erster Linie nützt er die Zeit, um noch einmal sein Leben Revue passieren zu lassen. Ist es ein Zeichen der Resignation, dass er sich beim Barbier von seinem berühmten rauschenden Vollbart befreit? Uwe Wittstock, bekannt geworden durch seine so interessanten und lesenswerten Sachbüchern mit historischem Hintergrund, gelingt es auch bei diesem neuen Buch, Geschichte lebendig werden zu lassen. Er versteht es Biografisches mit Historischem, kleine Nebenbeobachtungen mit großen Ereignissen zu verknüpfen und damit Zusammenhänge herzustellen, die scheinbar Komplexes verständlich machen. Lesen sie von ihm unbedingt auch „Marseille 1940“ und „Februar 1933“, Bücher, die so viel erzählen und nicht nur in jeder historischen Bibliothek stehen sollten.
Thomas Mahr

Uwe Wittstock
„Karl Marx in Algier“

FBeck Verlag
249 Seiten
26,- Euro

Kein Geld, aber ein Leben auf großem Fuß
Trotz einem Leben am finanziellen Abgrund, weiß Christian Schünemann seiner Familiengeschichte optimistische Seiten abzugewinnen. Ist das Bankkonto gesperrt und steht der Gerichtsvollzieher vor der Tür, steigt die sechsköpfige Familie einfach ins Auto und fährt los. So weit bis die Sorgen zurückbleiben und Benzin im Tank ist. Daniels Konfirmation soll ganz groß gefeiert werden, deshalb werden die Geldgeschenke des Protagonisten des Roman benötigt, um die pompösen Kalten Platten zu bezahlen.
Daniel ist in den frühen1980ern groß geworden, als man noch völlig unbeschwert in einen Konsumrausch verfiel und es schwer war, einen Lebensstil aufrechtzuerhalten, wenn die Einnahmen ausblieben. Und mit Geld konnten die Eltern ohnehin nicht umgehen, aber sie verstanden sich auf die Kunst, am finanziellen Abgrund stehend, den Schein zu wahren. Christan Schünemann beschreibt die Hormanns mit sehr viel Zuneigung. So entstand ein humorvoller, liebevoller Roman einer Familie, immer knapp vorm finanziellen Absturz.
Thomas Mahr

Christian Schünemann
„Bis die Sonne scheint“

Diogenes Verlag
256 Seiten
25,- Euro

Ferrara sehen – und sterben
Girolamo Svampa, ein Klosterbruder, der im Dienst des Heiligen Offiziums in Rom ermittelt, hat sich bei seiner dortigen Arbeit einige mächtige Feinde geschaffen. Um ihn zu schützen und aus der drohenden Gefahr herauszubringen, erteilt ihm der päpstliche Haustheologe einen Auftrag, der ihn weit weg von Rom führen soll: In Ferrara hat es einen Mord gegeben – einen grausamen Mord an einem Kabbalisten. Doch damit nicht genug: Der Mörder hat bei seinem Opfer einen bestimmten Knochen entfernt.
„Das Grab der Seelen“ ist ein neuer historischer Krimi von Marcello Simoni, dessen Debütroman „Der Händler der verfluchten Bücher“ in vielen Ländern ein Bestseller war. Sein neues Buch spielt in Ferrara im 17. Jahrhundert in der Stadt wie auch in den Klöstern und dem dortigen Ghetto. Mythen um die Formung des Golem und kabbalistische Bücher spielen eine zentrale Rolle, und anfangs ist völlig unklar, wie die Ereignisse, die in der Stadt geschehen, zusammenhängen könnten… . Reisen sie mit in das Ferrara des Jahres 1626, wo Glaube, Aberglaube, Mythen und allzu menschliche Wünsche aufeinandertreffen. Dieser Krimi ist spannend und fesselnd geschrieben und somit für alle Freundinnen und Freunde von historischen Thrillern bestens geeignet.
Martin Schick

Marcello Simoni
„Das Grab der Seelen“

283 Seiten
Folio-Verlag Wien - Bozen 2025
22,- Euro


Ohne Regenwurm geht gar nichts
„Zweifellos hat der Regenwurm viele Feinde – den Igel, den Frosch, den Feuersalamander, das Huhn, die Taube, den Maulwurf, den Tausendfüßler oder die Spitzmaus ganz abgesehen von all denen, die nicht darauf achten, wo sie hintreten“. Mit „Über das unglückliche Leben der Regenwürmer“ ist mir ein herrlich illustriertes, hochvergnügliches Buch in die Hände gefallen, von dem ich nicht mehr loslassen konnte! Noemi Volas kleine naturkundliche Abhandlung ist ein wahrer Schatz, denn es widmet sich in so vielen Facetten des hochinteressanten Lebens der Regenwürmer. Warum kann der Regenwurm auch bei Gewitter nicht entspannen oder was passiert, wenn der Regenwurm im Schlamm erwacht und plötzlich nicht mehr weiß, wo er ist? All dies und noch mehr Fragen versucht die Autorin auf die Spur zu kommen mit kunstvoll witzigen und bunten Illustrationen und sie kommt zu dem Schluss, dass scheinbar niemand, außer dem großen Charles Darwin, sich bisher für diese immer wieder überraschende Spezies interessiert hat.
Angelika Mahr

Noemi Vola
„Über das unglückliche Leben der Regenwürmer“

Ein relativ kurzes naturkundliches Traktat
Verlag Antje Kunstmann
264 Seiten
24,- Euro<

Vater und Sohn – getrennt durch eine große Schuld
Man muss diesen Roman „der Stumme“ von Otto F. Walter einfach vor dem Vergessen bewahren! Ernest Hemingway hat so geschrieben oder aber auch John Knittel mit „Via Mala“. Der Schweizer Autor lässt seinen Helden verstummen, ob der schrecklichen Tat, die er in seinem Elternhaus erleben musste. Jetzt wird er Teil eines Trupps von 12 Männern, die versuchen eine Trasse in den Berg zu sprengen. Es ist schon Herbst und bis zum Winter muss die Passstraße fertig werden. Doch was sucht der stumme Loth dort in der archaischen Bergwelt und der rauen Männergesellschaft? Ist einer der Männer sein Vater und haben die beiden nicht noch eine alte Rechnung offen?
Was Wunder, dass dieser atemlos spannende Roman zum Drehbuch für einen großartigen und erfolgreichen Film wurde. In den sechziger Jahren hat dieses Vater-Sohn- Drama seinen Autor über Nacht berühmt gemacht. Eine abgelegene Juralandschaft wird zum Schauplatz des Romans und das karge Leben der Männer in der Einsamkeit reduziert sich auf ihre Arbeit. Erst als die Sprengung der Kuppe ansteht, findet der stumme Sohn den Mut den Vater „anzusprechen“.
Thomas Mahr

Otto F. Walter
„Der Stumme“

Roman, Neuauflage 2023
Atlantis Zürich
288 Seiten
28,- Euro


Von wegen Tiere können nicht sprechen…
…selbst Bäume unterhalten sich, geben Botschaften und sind bereit sich gegenseitig zu helfen. Die bekannte englische Kinderbuchautorin Gabby Dawnay beweist in ihrem gelungen Tierbuch, dass die Natur fortwährend miteinander kommuniziert. Auch wenn Tiere und Pflanzen nicht - so wie wir das tun – miteinander sprechen, heißt das noch lange nicht, dass sie sich nicht untereinander in anderer Form austauschen. Dafür haben sie Klänge und Düfte, auch für uns manchmal unangenehme, sie tanzen für den besten Nektar oder trommeln bei Gefahr.
Die 48 Sachgeschichten aus aller Welt zeigen, wie vielfältig unsere Natur ist, in dem Versuch sich dem anderen verständlich zu machen. Schön wird das Buch durch die Zeichnungen und die Illustration von Margaux Samson Abadie. Mit den farbenfrohen Bildern tauchen wir fasziniert ein in die Welt der Natur und lernen diese dabei ganz neu kennen.
Thomas Mahr

Gabby Dawnay
„Die Sprache der Natur“

Wie Tiere und Pflanzen kommunizieren
Illustration von Margaux Samson Abadie
4 - 7 Jahre
Ravensburger Verlag
112 Seiten
24,- Euro

… das soll der Mensch nicht scheiden
Mitte der 1990er Jahre war eine Scheidung in Irland immer noch illegal. Man glaubt es kaum, aber wenn eine Frau ihren Mann verließ, wurde sie gesellschaftlich ausgegrenzt. Die Kirche bestimmte noch die moralischen Wertvorstellungen im Land. Auch wenn die Volksabstimmung 1995 nur mit einer knappen Mehrheit für das Recht auf Scheidung ausfiel, war das Bedürfnis zur Selbstbestimmung vor allem bei den Frauen doch sehr groß.
Ein Jahr vor dem Votum kehrt eine lebenslustige Frau Colette Crowley, eine Dichterin aus Dublin, zurück in das kleine Küstenstädtchen Ardglas. Sie lebt zurückgezogen in einem kleinen Cottage, weil ihr Mann ihr den Zugang zu den Kindern verwehrt. Jeder Schritt wird misstrauisch beobachtet. Wie konnte sie als Mutter nur ihre Familie verlassen? Letzte Hoffnung ist Izzy. Diese, selbst Mutter und Hausfrau ist mit einem Lokalpolitiker verheiratet, der sich ausgerechnet für das Scheidungsrecht einsetzt. Doch auch ihre Ehe ist unglücklich. Dies schweißt die beiden so unterschiedlichen Frauen zusammen. Es wird nicht verraten, was die beiden Frau gemeinsam erleben und wie sich ihr Leben verändern wird. Eines sei aber noch gesagt: „Alan Murrin ist wieder mal eine neue, talentierte irische Stimme, die so gekonnt und einnehmend erzählen kann“!
Thomas Mahr

Alan Murrin
„Coast Road“

DTV - Verlag
384 Seiten
24,- Euro

Ein Meisterwerk in einem Meisterwerk
Wolf Haas, der wunderbare Autor der „Brenner“-Krimis und von Romanen wie „Junger Mann“ oder „Das Wetter vor 15 Jahren“, hat einen neuen ungewöhnlichen Roman veröffentlicht. Ein Mann sitzt in seiner schlichten Wohnung und wartet darauf, dass ein Elektriker kommt, um bei ihm eine Steckdose zu richten. Außer einer großen Sammlung an Puzzle gibt es nichts Außergewöhnliches in seinem Zuhause, und so vertreibt er sich die Zeit des Wartens mit der Lektüre eines Buchs. Die Geschichte, die er nun beginnt zu lesen, erzählt von einem Mann, der als Kronzeuge in einem Mafia-Prozess ausgesagt hat und dafür Straffreiheit und die Aufnahme in einem Zeugenschutzprogramm erhalten soll. Noch sitzt er für wenige Tage im Hochsicherheitsgefängnis ein, und da ihm langweilig ist, beginnt er in einem Buch zu lesen, das von einem Mann erzählt, der in seiner Wohnung sitzt und auf den Elektriker wartet… . Sie ahnen es vermutlich nun schon, dass sich die Katze scheinbar selbst in den Schwanz beißt; beide Geschichten, in denen die beiden Protagonisten lesen, sind miteinander verwoben und spielen miteinander. Bei so einer Konstellation ist die Gefahr groß, zu viel über den Inhalt und Fortlauf der Geschichte(n) zu verraten, daher nur so viel: Unglaublich geschickt tauchen weitere Figuren in diesem Buch auf, werden zu Fortführenden der Handlung und teilweise auch zu Lesern und Leserinnen in den beiden Geschichtssträngen. Kontakte und Kontaktaufnahmen sowie Puzzle und das Bauen der Puzzle spielen eine große Rolle für den Roman, und sie werden feststellen, dass man manchmal lieber die Finger von Ahnenforschung lassen sollte… . Wenn sie dieses Buch von allerhöchster Erzählkunst zu Ende gelesen haben sollten, werden sie auch verstehen, warum ich gerade diese Überschrift für meine Besprechung gewählt habe. Alles andere müssen sie sich selbst erlesen, denn es wäre gemein, ihnen etwas von der Faszination dieses Buchs durch das Schildern weiterer Elemente der beiden Geschichten vorwegzunehmen. Ich kann ihnen nur so viel sagen: Ich bin hin und weg begeistert, und sie werden es vermutlich nach der Lektüre auch sein!
Martin Schick

Wolf Haas
„Wackelkontakt“

Hanser-Verlag München 2025
239 Seiten
25,- Euro

Eine Reise durch Deutschland im Jahr 1958
Der italienische Autor, Arzt und Maler Carlo Levi begab sich im Dezember 1958 auf eine Deutschlandreise. Levi, der unter anderem mit „Christus kam nur bis Eboli“ ein bis heute weltweit erfolgreiches und ausgezeichnetes Buch verfasst hat, war eigentlich für mehrere Lesungen, Vorträge und Verlagsgeschäfte nach Deutschland gekommen. Die erste Stadt, die er besuchte, war München. Die Stadt erscheint ihm geprägt einerseits von Eleganz und Barock, andererseits als Ort, an dem das „Münchner Abkommen“ unterzeichnet und die großen Aufmärsche der Nationalsozialisten stattgefunden hatten. Doch besonders interessant sind die vielfältigen Begegnungen in der Stadt und den Bierkellern: Levi kann zuhören, und er sucht die Unterhaltung mit den „einfachen“ Menschen, auch den verlorenen Gestalten. So kann man das Gemenge aus Aufbruchstimmung, Resignation, Nostalgie, Scham, Verletzung, Traumatisierung, Verdrängung, dem „Wir sind wieder wer“ und gleichzeitig aus den Forderungen, dass es ein Ende haben müsse mit der Beschäftigung mit den Gräueln, die im „dritten Reich“ geschahen, sehr gut nachvollziehen, dass diese Zeit bestimmte.
Foto: © Candidus/wikipedia
Weitere Stationen auf seiner Reise sind Dachau, das nur auf ausdrücklichen Wunsch des Autors angesteuert wurde, sowie Augsburg und dann auch Ulm. Dort sieht Levi zum ersten Mal in seinem Leben die Donau, wozu er sich ausführlich Gedanken macht, und er befasst sich intensiv mit dem Markt und dem Ulmer Münster. Stuttgart als nächster Ort erscheint ihm als Provisorium aus Glas und Metall, geprägt von Massen von Schaufenstern, eine „glänzende und durchsichtige Welt der reinen Fassade“. In Kontrast dazu stehen Abstecher nach Schwäbisch Hall, einem der wenigen erhalten gebliebenen alten Stadtzentren, und nach Tübingen. Schließlich begibt er sich ausführlich nach Berlin, sowohl in den West- wie den Ostteil, damals noch nicht durch die Mauer getrennt und für Levi als Italiener ohne größere Schwierigkeiten auf beiden Seiten zu erleben. Dort stellt er fest, dass beide Seiten meinen, nach bestimmten Prinzipien und Idealen, die ins Extrem getrieben werden, leben zu müssen und genau immer das Gegenteil von dem tun, was die Gegenseite als richtig empfindet. Doch weder der Osten noch der Westen von Berlin folgt diesen Zielen, ohne wirklich daran zu glauben. Insofern liegen beide Teile Berlins, beide Teile Deutschlands viel näher beieinander, als sie jemals zugeben würden.
Carlo Levis Buch, insbesondere der Teil der Reisebeschreibung nach seiner kurzen Einführung, bewegt sich auf dem gleichen phänomenalen Niveau wie sein Meisterwerk „Christus kam nur bis Eboli“. Seine genaue Beobachtungsgabe, die von ihm geführten und gehörten Gespräche, die er so wunderbar verdichtet und auf den Punkt bringt, und auch trotz allem seine zugrunde-liegende Zuneigung zu vielen der Menschen, denen er begegnet, machen das Buch wahrlich einzigartig. Nicht zuletzt bekommt man einen detaillierten und wahrhaftigen Blick auf Deutschland und seine Bewohner im Jahr 1958.
Martin Schick

Carlo Levi
„Die doppelte Nacht“

C.H.Beck-Verlag München 2024
175 Seiten
20,- Euro

Freunde sind manchmal die bessere Familie
Isabel Bogdan, bestens bekannt durch ihren Bestsellerroman „Der Pfau“, nähert sich in ihrem neuen Roman mit viel Humor dem Thema Alter. Sie lässt vier verschiedene Charaktere in unterschiedlichen Lebenslagen in einer Wohngemeinschaft zusammenleben. Als Constanze neu hinzukommt, scheint sich alles zu ändern. Nun müssen alle ihre bisherigen Lebensentwürfe hinterfragen und entscheiden, ob sie Ihre Wohnsituation als Wahlfamilie oder doch nur als Zweck-WG-Bewohner betrachten. Vier grundverschiedene Menschen raufen sich in einem virtuos komponierten Roman zusammen, wer weiß, vielleicht sieht so die Wohnform der Zukunft aus?
Thomas Mahr

Isabel Bogdan
„Wohnverwandtschaften“

Kiepenheuer & Witsch Verlag
256 Seiten
24,- Euro

Fable- Der Gesang des Wassers
Seit Fables Vater sie vor vier Jahren auf dem sengenden Sand einer abgelegenen Insel aussetzte, kämpft sie jeden Tag ums Überleben. Dies schafft sie, indem sie für den äußerst attraktiven Piraten West und seine Crew, Kupfer aus den Felsen im Ozean schlägt. Doch Geld ist schwer zu bekommen und Feinde hat sie auf der Insel ausreichend. Tag und Nacht vergräbt sie ihr gewonnenes Geld, in der Hoffnung eines Tages ihren größten Traum wahr werden zu lassen: wieder unter dem Segel ihres Vaters zu reisen. Doch ihr Plan ändert sich schlagartig, als ein Bewohner der Insel versucht sie zu töten und West sie in seine Crew aufnimmt. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg ihren Vater zu suchen und stoßen dabei auf Hindernisse, die es Fable schwer machen, ihr großes Geheimnis zu wahren.
Emma Khoshchehreh

Adrienne Young
„Fable- Der Gesang des Wassers“

ab 12 Jahre
ars edition (2024)
352 Seiten
18,- Euro

Eine Frau geht ihren Weg
Rom zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Eine faszinierende, brodelnde, niemals zur Ruhe kommende Stadt. Sie ist einerseits im wahrsten Sinne des Wortes ruiniert, viele antike Gebäude bestehen noch als Ruinen und werden irgendwie überbaut. Gleichzeitig entstehen auch neue, großartige Gebäude wie die neue Peterskirche oder die Piazza del popolo. Doch es gibt viel Schmutz, Elend und Armut in dieser großen Stadt. Hier wächst Plautilla Bricci auf, in einfachen Verhältnissen, man versucht, so gut es geht, über die Runden zu kommen. Doch während für die meisten Frauen der Zeit vorgesehen ist, dass sie möglichst viele Kinder bekommen und sich um die Wohnung zu kümmern haben oder in ein Kloster gehen müssen, erlernt Plautilla von ihrem Vater die Grundlagen der Malerei. Sie zeigt große Begabung und Können, doch kann sie ihre Kunst kaum anwenden, denn als Frau ist sie darauf beschränkt, zu Hause zu bleiben und höchstens kleine Porträts und Gemälde für Privatleute zu malen. Mit 38 Jahren wird sie schließlich Mitglied in der Accademia di San Luca, der Gilde der Maler in Rom.
Melania G. Mazzucco erzählt in diesem faszinierenden historischen Roman aus Zeiten, in denen es noch keine exakt getrennte Kunstgattungen gab. Plautillas Vater ist beispielsweise Dichter, Schriftsteller, Verfasser von Theaterstücken, Journalist und Maler, seine Tochter wird später auch als herausragende Architektin tätig sein. Dieses Buch, das von Melania G. Mazzucco auf Grundlage ihrer umfangreichen Recherchen geschrieben wurde, berichtet vom hochinteressanten Leben der Plautilla Bricci, vom Leben in der von den Päpsten geprägten Stadt Rom und gleichzeitig in mehreren Lebensabschnitten von der Geschichte einer großen Liebe. Selten sind historische Romane sorgfältig und genau geschrieben und gleichzeitig gut und spannend erzählt – dieses Kunststück gelingt Melania G. Mazzucco in ihrem Buch. Also auf zur Zeitreise in das Rom der Päpste!
Martin Schick

Melania G. Mazzucco
„Die Villa der Architektin“

461 Seiten
Folio-Verlag Wien-Bozen 2024
28,- Euro

Anatomie eines Abends
Stellen Sie sich vor: Ein Abend, mehrere Gäste sind eingeladen. Es läuft ausgezeichneter Jazz, „Jazz für Jazzliebhaber mit wenig Ahnung und viel Geschmack“. Man trifft sich zu einem Aperitif, Hunger kommt auf, die Geschichte nimmt langsam an Fahrt auf… Und dazwischen, wie eingestreut, immer wieder eine kleine Zutatenliste – die Dinge, die man zur Zubereitung der in der Erzählung vorkommenden Gerichte und Mixgetränke benötigt, quasi ein Roman mit Zutaten. Essen spielt in einigen Abschnitten dieses großartigen Romans eine herausragende Rolle. Geschrieben hat dieses geistreiche Werk Teresa Präauer, schon mehrfach für ihre Bücher ausgezeichnet. Sie geht gewitzt mit Sprache und der sich verändernden Bedeutung von Worten um. Dabei spielt auch der heutige Umgang mit Wahrheit und Realität in Zeiten des Internets, der Social-Media-Kanäle und digitaler Filter eine gewichtige Rolle. Das, was die anderen bei der realen Einladung wie im Netz über die Protagonisten denken könnten, wird schon vorab durchdekliniert, um das erwünschte Bild nach Außen darstellen zu können: Alles ist so genau und fein von Teresa Präauer beobachtet. Doch digitale Selbstentwürfe entsprechen nun mal nur äußerst selten dem analogen Sein der Menschen… Dieses Buch ist ein großartiger Blick in den Spiegel für die Menschen unter 40 Jahren und gleichzeitig ein ganz anderes kulinarisches Panoptikum. Lassen Sie sich darauf ein!
Martin Schick

Teresa Präauer
„Kochen im falschen Jahrhundert“

Wallstein-Verlag Göttingen
198 Seiten
22,- Euro

Eine Zeitreise
Der österreichische Schauspieler und Kabarettist Robert Palfrader hatte viele Berufe, bis er schließlich den Weg vor die Kamera bzw. auf die Bühne fand. In Deutschland dürfte er am Ehesten durch die „Wir sind Kaiser“-Sendungen des ORF bekannt sein, die auch im deutschen Fernsehen gezeigt wurden und Kultstatus erreichten. In diesem wunderbaren Buch erzählt er uns die Geschichte seiner Urgroßeltern und Großeltern, die aus dem ladinischen Teil Südtirols stammen. Die Ladiner bilden heute eine eigene kleine Minderheit in Italien, Ortsnamen wie Alta Badia, Gröden oder Cortina d´Ampezzo geben eine ungefähre Vorstellung, wo sie leben. Palfrader schildert das Leben seiner Vorfahren mit all seinen Härten, Wendungen und auch glücklichen Momenten sehr lebendig. Vieles davon ist wahr und hat sich tatsächlich so zugetragen, manches sicher dazu mit viel Fantasie ergänzt. Er berichtet aus einer Zeit, die noch gar nicht so lange her ist und doch heute unvorstellbare Zustände kannte. So schreibt er beispielsweise, dass „in diesen Familien nur in den seltensten Fällen über Gefühle gesprochen wurde. Die hat man, so gut es ging, „mit Rosenkränzen erschlagen“. Half das nicht, griff man zum Schnaps.
Als die ersten Reisenden zum Schifahren kommen, stößt das nur auf Unverständnis: Wie kann man so etwas tun, ohne es zu müssen, den Berg herunterfahren und dabei nicht einmal Heu mitnehmen? Dieses Buch ist absolut lesenswert in einer sehr lebendigen Erzählweise geschrieben; hat man einmal angefangen, mag man eigentlich gar nicht mehr die Lektüre unterbrechen. Reisen sie in Gedanken mit in so nahe und doch so archaische Zeiten.
Martin Schick

Robert Palfrader
„Ein paar Leben später“

Carl Ueberreuter Verlag Wien 2024
159 Seiten
22,- Euro

Was passiert, wenn ein „altes Fass“ geöffnet wird?
Der erste Kriminalroman „Das Schweigen des Wassers“ von Susanne Tägder spielt in einem Ort tief in mecklenburgischer Provinz wenige Jahre nach dem Fall des „eisernen Vorhangs“. Hauptkommissar Groth kommt aus Hamburg in die Kleinstadt Wechtershagen, er soll dort als „Aufbauhelfer Ost“ wirken, wie es oft in der Zeit nach dem Mauerfall üblich war. Die Zusammenarbeit mit den teilweise schon Jahrzehnte im Dienst stehenden ehemaligen Volkspolizisten ist nicht immer einfach. Zusätzlich ist Groth auch noch in der Fortbildung der „Ost-Kollegen“ tätig, er ist für das „Modul Vernehmungslehre“ zuständig. Entsprechend ist für ihn Sorge um die Zukunft und Wut bei den ehemaligen Vopos spürbar, anfangs ist die Zusammenarbeit auf das Notwendigste beschränkt.
Doch eines Tages taucht ein Mann barfuß bei Groth auf und bittet um Hilfe, er sagt: „Jemand ist hinter mir her“. Weiter will er sich vorerst nicht über die Art der Bedrohung äußern, doch er ist zu einem Treffen in der kommenden Woche bereit, um konkret die Gefahr zu benennen. Bevor es so weit kommt, ist der Mann – tot. Ertrunken in einem See, wo er doch als Bootsverleiher ein sehr guter Schwimmer gewesen war. Weitere Ungereimtheiten kommen dazu, und irgendwann wird klar: Das Ganze hat wohl etwas mit einem „Altfall“ vor einem Jahrzehnt zu tun. Bei seinen Kollegen beißt Groth auf Granit: Ein „Altfall“ wird nicht wieder aufgerollt, dass Fass ist zu, und alte Fässer soll man zulassen. Nun kommt aber noch eine Frau ins Spiel: Regine Schadow, die den Barfüßigen gut kannte und gleichzeitig in irgendeiner Weise mit dem „Altfall“ verbunden sein muss. Die Geschichte kann Groth nicht einfach auf sich beruhen lassen…
Susanne Tägder hat zuvor schon mehrere ausgezeichnete Texte vorgelegt. „Das Schweigen des Wassers“ ist ihr Erstling als Krimi. Dieses Debut in einem für sie neuen Genre ist ihr hervorragend gelungen. Atmosphärisch dicht erzählt ihr Werk von den Zeiten des Umbruchs, von Entwurzelung und den großen Unsicherheiten in den Jahren der deutschen Wiedervereinigung. Der Fall, der teilweise auf realen Ereignissen beruht, und seine Facetten erscheinen nach und nach vor unserem inneren Auge. Aus einzelnen Beobachtungen entstehen Bilder, in denen es aber auch bewusst bleibende Leerstellen gibt. Dieser Krimi wird sie in seiner Vielschichtigkeit, seinen Erzählsträngen und den Lebensgeschichten der agierenden Personen immer mehr einnehmen und fesseln. Der beste Krimi der letzten Zeit, und eine Geschichte, die uns berührt.
Martin Schick

Susanne Tägder
„Das Schweigen des Wassers“

Kriminalroman
Tropen Verlag 2024
341 Seiten
17,- Euro

Ein Briefwechsel der besonderen Art
Gerade habe ich einen Briefwechsel zwischen Vanessa Vu und Ahmad Katlesh, ausgelesen. Bei Briefwechsel/Briefromanen kann ich nie wiederstehen und der Titel sprach ich auch geradezu an: „Komm dahin, wo es still ist“. Vanessa Vu ist eine Journalistin, die 1991 in Eggenfelden geboren und in einem Asylbewerberheim in Pfarrkirchen aufgewachsen ist, weil ihre Eltern aus Vietnam nach Deutschland geflohen sind. Mit Ahmad Katlesh, einem 1988 in Damaskus geborenen Lyriker, geht sie eine Beziehung ein, die durch ihrer beider Ver-gangenheit keiner „normalen“ Beziehung gleicht. Als Menschen der Worte schreiben sie einander Briefe, um sich besser kennenzulernen, unsagbares aus-zudrücken, aber auch Abstand zwischen sich und ihren Erfahrungen, Geschichten zu bringen. Die Briefe hallen sehr lange in mir nach, gehen unter die Haut, wenn z. B. angedeutet wird, warum Ahmad heftigen Regen kaum aushält, sich damit aber auseinandersetzen muss, weil es in Deutschland eben viel regnet. Unfreiwillig ironisch wird es als Vanessa erzählt, dass sie mit ihrer Einbürgerungsurkunde einen Regenschirm überreicht bekommen hat.

Sehr berührt hat mich der Schluss, in dem sich beide Gedanken über ihre Zukunft in Deutschland machen. Beide haben viel auf sich genommen, um in Deutschland anerkannt zu werden oder in Deutschland leben zu können. Doch die derzeitige Stimmung im Land lässt über eine weitere Flucht nachdenken.
Christine Naderer

Vanessa Vu, Ahmad Katlesh
„Komm dahin, wo es still ist“

Rowohlt Verlag
256 Seiten
22,- Euro

In den Weiten Afrikas
Hunter White, ein schwerreicher Immobilienhändler und Investmentbanker, hat seit Kindesbeinen die Jagdleidenschaft seines Vaters und Großvaters im Blut. Als erfahrener Großwildjäger reist Hunter nach Afrika, um sich und seiner Frau ein besonderes Geschenk zum Hochzeitstag zu machen. Denn endlich hat er die Erlaubnis seine „Big Five“ zu vervollständigen. Denn nach Elefant, Löwe, Schwarzbüffel und Leopard hat er nun endlich die Lizenz im Reservat einen alten Nashornbullen zu erlegen. Seine Frau erhält den Kopf als Jagdtrophäe, um ihre Wohnung damit zu dekorieren. Als es endlich soweit ist, kommen seiner Jagdgesellschaft Wilderer zuvor. Enttäuscht zieht sich Hunter während der Ermittlungen in die Lodge zurück, bis ihn ein besonderes Angebot näher gebracht wird: Big Six.
Schoeters Sprache zieht einen sofort in die Weite und Hitze Afrikas. Sie macht die Anspannung von Jäger und Beute erlebbar. Wie Hemingway, dessen Jagdschilderungen ab und an einfließen, lebt Hunter seine Obsession in vollen Zügen aus. Er möchte seiner Beute kurz vor dem Ziehen des Abzugs in die Augen sehen, sich ebenfalls einer Gefahr aussetzen, kein „Fast-Food-Hunting“ angefütterter Tiere aus dem Jeep heraus erleben. Dennoch nimmt er Afrika als eine Art Vergnügungspark wahr. Die Argumente der Naturschützer werden im kapitalistischen postkolonialen Sinne mit dem Nutzen aus den teuer erkauften Lizenzen für die Parkverwaltung und die indigenen Stämme, denen man sich weiterhin überlegen fühlt, am nächtlichen Lagerfeuer wegdiskutiert. Alles scheint käuflich, dabei moralisch vertreterbar – auch ein Big Six? Ein überraschender, obskurer und bis zur letzten Seite spannender Roman, den man als Aufforderung lesen kann über eigene Denkmuster nachzudenken.
Christine Naderer

Gaea Schoeters
„Trophäe“

Paul Zsolnay Verlag
256 Seiten
24,- Euro

Was macht eine Frau zu Mörderin?
Die Frau mit norwegischen Wurzeln, die zur ersten Serienmörderin in den USA wurde, gab es wirklich. Belle Guness heißt die Mörderin wie auch die Protagonistin von Victoria Kielland Roman „Meine Männer“, eine Frau, die 1881 nach Amerika auswanderte und vermutlich 1908 starb. Wie traumatisch müssen die Bedingungen für sie auf einem Bauernhof in Norwegen gewesen sein, als sie sich als Magd in den Hoferben unsterblich verliebte und aufs bitterste enttäuscht wurde. Kielland hat aus dieser mörderischen Geschichte einen aufregenden Roman gemacht. Die norwegische Theaterwissenschaftlerin hat aber aus der Serienmörderin keine schaurige Fallstudie oder gar einen Horrorthriller entwickelt, sie hat sich mehr für die Psyche, das Innenleben ihrer Protagonistin interessiert und so ist ein völlig unkonventioneller Roman entstanden. Hinter dem Titel „Meine Männer“ verbergen sich mehr als zwei Dutzend Morde, die ihre Erklärung in der traumatischen Erfahrung in der harten, gewaltsamen Zeit in Norwegen finden. Die Opfer mussten dafür einstehen, was ihr ein Mann angetan hat…
Thomas Mahr

Victoria Kielland
„Meine Männer“

Tropen Verlag
192 Seiten
22,- Euro

Ein sterbendes Dorf
Wenn man als Tourist heute durch die Haute-Provence fährt, ahnt man kaum noch etwas von der Armut, die dort vor 100 Jahren herrschte. Die Dörfer kämpften mit den Naturgewalten und ein Fluss, wie die provenzalische Asse, bedeutet zugleich Segen und Fluch. In einem alten Bergdorf im Roman von Maria Borrély brennt nur noch ein Feuer, soll heißen, es lebt dort oben nur noch die sture, alte Pélagie mit ihrer Enkelin Berthe, einer Ziege und einer Handvoll Hühner. Sie weigert sich ins neue Dorf, ins fruchtbare Tal flussabwärts zu ziehen, misstraut dem Schutz eines neuen Hochwasserdamms und sie sollte recht behalten.
Geschrieben hat diesen kleinen, aber ungemein intensiven Roman „Das letzte Feuer“ Maria Borrély, so bilderreich wie die beschriebene Natur. Die 1890 in Marseille geborene Schriftstellerin gehörte zum Dichterkreis um Jean Giono. Ihre Bücher sind eine Liebeserklärung an die karge Landschaft der Haute-Provence, aber auch ein Dokument über den Wandel der Zeit, wie die Moderne versucht, die Natur zu besiegen und daran scheitert.
Thomas Mahr

Maria Borrély
„Das letzte Feuer“

Kanon
128 Seiten
20,- Euro

Vom Glück, einen echten Freund zu haben
Das Leben des kleinen Jimmy dreht sich um eine Sammelleidenschaft: Flippos, in Chipstüten versteckte Sammelfotos. Seine Sammlung ist ernsthaft angelegt, vorbildlich strukturiert und ehrlich erworben, ohne Tauschbörsen oder sonstige Abkürzungen. Als in seine Grundschulklasse Tristan, ein Kind einer zehnköpfigen aus dem Kosovo geflohenen Familie, eintritt, ändert sich Jimmys Leben. Endlich hat er einen Freund, dem er mit großem Einfallsreichtum und Sorgfalt die niederländische Sprache und den Schulstoff näherbringt. Durch Tristans Familienleben ahnt Jimmy, warum nicht alle Menschen die Flippo-Sammelleidenschaft so wichtig nehmen; er fühlt sich gebraucht und etwas geborgen. Doch dann kommt der Ausweisungsbescheid für die Familie. Die Kinder schmieden einen folgenschweren Plan.
Mit wenigen Worten schwört Lize Spit eine Szenerie herauf, die den Leser sofort gefangen nimmt. Die Geschichte, welche durch eine ähnliche Familie und deren drohenden Abschiebung aus Belgien inspiriert wurde, berührt und hallt lange nach.
Christine Naderer

Lize Spit
„Der ehrliche Finder“

S. Fischer Verlag
128 Seiten
18,- Euro

Wie bleiben oder werden wir zuversichtlich in diesen fragilen Zeiten?
In einem Brief an ihre fast erwachsenen Enkel erklärt Gabriele von Arnim was ihr persönlich Zuversicht bedeutet und wie wichtig sie sie in diesen bedrohlichen, düsteren Zeiten für die Menschen einschätzt. Sie erzählt woraus sie als ängstlicher, nicht an einen Gott glaubenden Menschen ihre Zuversicht nimmt: Vogelgezwitscher am Morgen, Malerei, Literatur, Wolkenformationen, im Café sitzen und Eis essen und, und, und. Parallel dazu spricht sie mit Freunden und Bekannten zu deren Haltung zum Thema Hoffnung, Zuversicht und Sinnhaftigkeit in diesen Zeiten. Ebenso taucht sie immer wieder in die ihr wichtigen Bücher ein, zitiert kurze Gedanken und rezitiert Gedichte. Gibt ihren Enkeln Tipps, welche Bücher sie vielleicht irgendwann lesen sollten, um die Großmutter besser zu verstehen. Und so schließt der Brief an die Enkel mit einem Zitat von Albert Camus – …“das muss jetzt sein:

„In den Tiefen des Winters erfuhr ich schließlich,
dass in mir ein unbesiegbarer Sommer liegt.“
Seid in dem Sinne sehr sommerlich umarmt!“

Ein schmales Büchlein von 70 Seiten, das ich persönlich noch sehr oft zur Hand nehmen, aber vor allem verschenken werde. Denn die Kunst der ZUVERSICHT muss wieder entdeckt und geübt werden.
Christine Naderer

Gabriele von Arnim
„Liebe Enkel oder Die Kunst der Zuversicht“

Kjona Verlag München
80 Seiten
18,- Euro

Was bleibt, wenn einem der Vater durch die Finger rieselt?
Eine Tochter kämpft für und mit ihrem Vater gegen seinen „bösen Kumpel“, der sich in seiner Lunge breit gemacht hat. Schonungslos schildert die Tochter die Realität eines Krankhausaufenthaltes als türkischer Gastarbeiter der ersten Generation in Deutschland. In manchen Stunden wünscht sie sich nichts sehnlicher als einen Samowar auf dem Krankenausgang, um ein paar Minuten, ein Tulpenglas lang, mit dem Duft von schwarzem Tee mit Bergamotte-Aroma das Gefühl von Fremdheit vertreiben zu können. Daneben meint man förmlich die Düfte der mitgebrachten, täglich selbst gekochten Speisen für den Vater, der nichts mehr isst, zu riechen. Um der Sprachlosigkeit, die sich Angesicht der Unfassbarkeit der Krankheit und des nahenden Todes ausgebreitet hat, etwas entgegen zu setzen, erzählt der Vater Geschichten, die bereits seit Generationen in ihrer Familie erzählt werden. Mely Kiyak schafft ein Mut machendes Buch für alle Angehörigen, die einen lieben Menschen auf einem schweren Weg begleiten.
Christine Naderer

Mely Kiyak
„Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an“

Hanser Verlag
224 Seiten
23,- Euro

Eine kulinarische Herausforderung
Stellen sie sich vor: Sie leben schon seit Jahren in Italien, sind mit einer Italienerin verheiratet, werden von ihrer gesamten Familie wunderbar aufgenommen und doch misstrauen fast alle Familienmitglieder ihren Kochkünsten. Stefan Maiwald, der mit seiner Frau und zwei Kindern in Grado, umgeben von einer herrlichen Lagune, lebt, ist es genau so ergangen. So beschließt er: Alle haben ihn herausgefordert, und nun wird er es ihnen an seinem Geburtstag zeigen. Er wird sie mit ihren Lieblingsgerichten aus dem Veneto und dem Friaul bekochen und endlich überzeugen!
Dazu sucht er für die geplanten Speisen und Getränke die besten Köchinnen und Köche sowie Erzeuger zwischen Conegliano im Valdobbiadene, wo der Prosecco herkommt, über Venedig bis nach Triest auf. Er erzählt in lockerem, humorvollen Ton über seine Begegnungen, Erfahrungen und Geschmackserlebnisse auf dem Weg. Nebenbei werden immer wieder typische Rezepte der beiden Regionen mit eingeflochten. Das Buch erinnert vom Inhalt und Erzählstil betrachtet öfters an „Maria, ihm schmeckt`s nicht!“ von Jan Weiler, ist dabei aber fundierter geschrieben. Stefan Maiwald hat sich wirklich auf die italienische Lebensweise eingelassen. Lesen sie dieses sehr vergnügliche Werk, das so schöne Geschichten aus dem Leben erzählt, doch Achtung – das Lesen dieses Buches kann jederzeit zu akutem Hunger und Kochattacken führen!
Martin Schick

Stefan Maiwald
„Die Spaghetti-vongole-Tagebücher“

Styria-Verlag Wien-Graz 2024
198 Seiten
25,- Euro

Ein magisches Abenteuer in einer Stadt voller Bücher
Schon seit sie denken kann lebt Sepia in einem Waisenhaus. Doch das ändert sich, als sie einen geheimnisvollen Brief erhält, in dem sie eingeladen wird nach Flohall, in die Stadt der Bücher, zu kommen, um dort von einem der drei großen Meister die Kunst des Buchdruckes zu erlernen. Sepia nimmt die Einladung gerne an, und fühlt sich schnell wohl in ihrem neuen Zuhause, in dem sie immer von raschelndem Papier und dem Geruch von Tinte umgeben ist. Bald findet sie in Niki, der Tochter der Malermeisterin, und Sanzio, dem Lehrling des Buchbindermeisters treue Freunde. Alles könnte perfekt sein, gingen in Flohall nicht seltsame Dinge vor sich: düstere Gestalten schleichen umher, ein kleiner Bleibuchstabe macht sich selbstständig, und dann verschwinden die drei Meister. Sepia und ihre Freunde ahnen, dass das etwas mit dem Tintenkrieg zu tun haben muss, der vor einigen Jahren in der Stadt herrschte, und mit einem dunklen Alchemisten, den alle längst für besiegt hielten. So beginnt das Abenteuer um die Rettung der Stadt…
Alena Bruckmann

Theresa Bell
„Sepia und das Erwachen der Tintenmagie“

ab 10 Jahre
Thienemann Verlag
384 Seiten
17,- Euro

Was ist eine „normale“ Familie?
Ottilie freut sich. Endlich zieht im Nachbarhaus eine Familie ein. Sie hat sogar drei Kinder, einen Opa und einen … nein, keinen Hund, einen Wischmopp! Obwohl die Grauses auf den ersten Blick wirken wie jede andere Familie, fallen Ottilie bei genauerem hinschauen die kleinen Hörner auf dem Kopf ihres neuen Freundes Muh auf. Und seine Schwester Wolfi hat ziemlich spitze Zähnchen. Am auffälligsten benimmt sich jedoch Opa Grause. Er ist ein Schrat, und da er in der Schule für andersartige Wesen nicht besonders gut aufgepasst hat, sticht er in der Welt der Normalos nun ziemlich hinaus. Doch jeder geleistete Fehltritt wird mit einem dunkelgrauen Punkt auf einer hellgrauen Liste vermerkt. Bei zu vielen Punkten ist die ganze Familie in Gefahr! Aber kann man einen Opa einfach zurückgeben, wenn er sich nicht benehmen kann? Für Ottilie und ihre neuen Freunde ist klar: Eine Familie ist eine Familie. Ganz egal, wie seltsam sie wirken mag.
Alena Bruckmann

Sabine Bohlmann
„Willkommen bei den Grauses – Wer ist schon normal?“

ab 9 Jahre
Planet! Verlag
192 Seiten
14,- Euro


Etwas drängelte im Hintergrund die Fahrt zur Leipziger Buchmesse, deshalb erst jetzt die Eindrücke unseres 53. Quartetts und vor allem noch ganz schnell die Liste der vorgestellten Bücher. Und es gab ein Debüt – unsere Auszubildende Alena Bruckmann hat souverän und mit viel Esprit den Jugendbuchtipp vorgestellt „Sepia und das Erwachen der Tintenmagie“! Nicht nur wir hatten Freude unsere gefundenen Schätze unserer treuen Leserschaft vorzustellen, die Buchhandlung war gefüllt bis auf den letzten Platz. Schön, dass immer alle so eng zusammenrücken, um Überraschungsgästen noch Platz zu machen. Lange noch in Gespräche vertieft, beim Stöbern so manches Buch entdeckt, haben viele Bücher die Buchhandlung verlassen. So lieben wir das!

Hier finden Sie die Titel der Bücher, die in unserem 53. Literarischen Quartett besprochen wurden:

Alexandra Blöchl
„Was das Meer verspricht“

DTV
280 Seiten
22.-- Euro

Karen Köhler
„Himmelwärts“

Hanser
192 Seiten
19.-- Euro



Ann Napolitano
„Hallo, du Schöne“

DuMont Buchverlag Gruppe
512 Seiten
25.-- Euro

Barbara Kingsolver
„Demon Copperhead“

DTV
864 Seiten
26.-- Euro



Eva Ibbotson
„Was der Morgen bringt.“

Kampa Verlag
464 Seiten
24.-- Euro

Katrin de Vries
„Ein Garten offenbart sich“

DTV
240 Seiten
24.-- Euro



Irene Vallejo
„Elyssa, Königin von Karthago“

Diogenes
320 Seiten
25.-- Euro

Isabelle Autissier
„Acqua alta“

mareverlag
208 Seiten
23.-- Euro



Theresa Bell
„Sepia 1: Sepia und das Erwachen der Tintenmagie“
Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
384 Seiten
17.-- Euro

Dorothee Riese
„Wir sind hier für die Stille“

Berlin Verlag
240 Seiten
22.-- Euro



Stefanie Gerhold
„Das Lächeln der Königin“

Kiepenheuer & Witsch
288 Seiten
23.-- Euro

Sabine Böhne-Di Leo
„Die Erfindung der Bundesrepublik“

Kiepenheuer & Witsch
244 Seiten
23.-- Euro



Bernd Brunner
„Unterwegs ins Morgenland“

Kiepenheuer & Witsch
320 Seiten
28.-- Euro

Tom Saller
„Ich bin Anna“

Kanon, Berlin
260 Seiten
24.-- Euro



Heino Falcke
„Kekskrümel im All“

Wie groß ist die Unendlichkeit?
Fischer, Sauerländer
96 Seiten, 57 farbige Abbildungen
19,90 Euro

Pamela Sharon
„Der Duft von Grün“

Freies Geistesleben
236 Seiten
20.-- Euro

Was passiert, wenn ein „altes Fass“ geöffnet wird?
Der erste Kriminalroman „Das Schweigen des Wassers“ von Susanne Tägder spielt in einem Ort tief in mecklenburgischer Provinz wenige Jahre nach dem Fall des „eisernen Vorhangs“. Hauptkommissar Groth kommt aus Hamburg in die Kleinstadt Wechtershagen, er soll dort als „Aufbauhelfer Ost“ wirken, wie es oft in der Zeit nach dem Mauerfall üblich war. Die Zusammenarbeit mit den teilweise schon Jahrzehnte im Dienst stehenden ehemaligen Volkspolizisten ist nicht immer einfach. Zusätzlich ist Groth auch noch in der Fortbildung der „Ost-Kollegen“ tätig, er ist für das „Modul Vernehmungslehre“ zuständig. Entsprechend ist für ihn Sorge um die Zukunft und Wut bei den ehemaligen Vopos spürbar, anfangs ist die Zusammenarbeit auf das Notwendigste beschränkt.
Doch eines Tages taucht ein Mann barfuß bei Groth auf und bittet um Hilfe, er sagt: „Jemand ist hinter mir her“. Weiter will er sich vorerst nicht über die Art der Bedrohung äußern, doch er ist zu einem Treffen in der kommenden Woche bereit, um konkret die Gefahr zu benennen. Bevor es so weit kommt, ist der Mann – tot. Ertrunken in einem See, wo er doch als Bootsverleiher ein sehr guter Schwimmer gewesen war. Weitere Ungereimtheiten kommen dazu, und irgendwann wird klar: Das Ganze hat wohl etwas mit einem „Altfall“ vor einem Jahrzehnt zu tun. Bei seinen Kollegen beißt Groth auf Granit: Ein „Altfall“ wird nicht wieder aufgerollt, dass Fass ist zu, und alte Fässer soll man zulassen.
Nun kommt aber noch eine Frau ins Spiel: Regine Schadow, die den Barfüßigen gut kannte und gleichzeitig in irgendeiner Weise mit dem „Altfall“ verbunden sein muss. Diesen Fall kann Groth nicht einfach auf sich beruhen lassen…
Susanne Tägder hat zuvor schon mehrere ausgezeichnete Texte vorgelegt. „Das Schweigen des Wassers“ ist ihr Erstling als Krimi. Dieses Debut in einem für sie neuen Genre ist ihr hervorragend gelungen. Atmosphärisch dicht erzählt ihr Werk von den Zeiten des Umbruchs, von Entwurzelung und den großen Unsicherheiten in den Jahren der deutschen Wiedervereinigung. Der Fall, der teilweise auf realen Ereignissen beruht, und seine Facetten erscheinen nach und nach vor unserem inneren Auge. Aus einzelnen Beobachtungen entstehen Bilder, in denen es aber auch bewusst bleibende Leerstellen gibt. Dieser Krimi wird sie in seiner Vielschichtigkeit, seinen Erzählsträngen und den Lebensgeschichten der agierenden Personen immer mehr einnehmen und fesseln. Der beste Krimi der letzten Zeit, und eine Geschichte, die uns berührt.
Martin Schick

Susanne Tägder
„Das Schweigen des Wassers“

341 Seiten
Tropen-Verlag 2024
17,- Euro

Reise in eine unbekannte Welt direkt vor der Haustüre
Waren sie schon einmal in einer Gegend namens Neun-Drei? Gemeint ist das französische Département Seine-Saint-Denis, das sich in der Pariser Banlieue befindet, also jenem Vorortgürtel, der jenseits des Autobahnrings um Paris liegt. Die Autorin Anne Weber und ihr Freund, der im Buch Thierry genannt wird, betreten wandernd diese fernen Welten in unmittelbarer Nähe der „Stadt der Liebe“ Paris. Anlass dazu ist vordergründig die Suche nach Drehorten für einen Dokumentarfilm. Doch letztlich geht es darum, dieses so völlig andere Frankreich zu erkunden: Eine Welt der Wohnmaschinen und Wohnmonster, der Müllberge und der Menschen, die zwischen diesen leben (müssen). Thierry, der Begleiter der Autorin auf den ausgedehnten Streifzügen, hat einen aus Algerien stammenden Vater und eine französischstämmige Mutter. Der Vater leugnete aber immer seine algerische Herkunft und versuchte, so französisch wie nur irgend möglich zu wirken. Die beiden Wandernden schließen an die große Tradition der Pariser Flaneure an, erkunden dabei aber „Terra incognita“ für die meisten Franzosen. Aufgelockert wird das Ganze zusätzlich durch fiktive Dialoge wie kurze Theaterszenen, in denen beide das Gesehene verarbeiten und sich überlegen, wie wohl ihre Pariser Freunde das Ganze kommentieren würden.
Eine bindende Klammer für das ausgezeichnete Buch ist ein immer wiederkehrender Besuch in einem Café in der Banlieue, das nach und nach zu einem Stück Zuhause wird. Es ist ein Zufluchtsort für alle, die in dieser Umgebung aus abgehalfterten Wohnblocks und Sperrmüll leben müssen, und gleichzeitig erstaunlicherweise ein Platz, an dem Menschen algerischer Herkunft, Franzosen, die im Algerienkrieg gekämpft haben und weitere Nationalitäten zusammen an der Theke stehen und reden können. Was für ein großartiges, zum Nachdenken anregendes und zugleich auch absurderweise kurzweiliges Buch, das uns nicht unberührt lässt. Ein ganz anderer Blick auf Frankreich jenseits aller Klischees und ein außergewöhnliches Wandertagebuch – Danke, dass ich dieses Buch lesen durfte!
Martin Schick

Anne Weber
„Bannmeilen “

Ein Roman in Streifzügen
301 Seiten
Matthes und Seitz Berlin 2024
25,- Euro

Das absolute Besitzrecht der weißen Herren über die schwarzen Sklaven…
… so das britische Gesetz von 1711, das die Sklaverei und den Menschenhandel legitimierte. Schon damals sind in einem Meer unzählige Menschen ertrunken. Allerdings waren sie schon tot, weil sie die unmenschlichen Bedingungen der Überfahrt von Kontinent zu Kontinent nicht überlebten. Es waren 14 Millionen Menschen, die aus Afrika verschleppt, teilweise von ihren eigenen Landsleuten an die Küste gebracht, wo die weißen Händler mit ihren Schiffen warteten.
Der amerikanische Historiker Marcus Rediker hat ein großartiges, ein wichtiges Werk geschrieben. Endlich ist eine deutsche Übersetzung des Buches erschienen, das dokumentiert, wie menschenunwürdig der Sklavenhandel war. Es zeigt aber auch, dass es von Anfang an Menschen gab, die vehement für die Abschaffung der Sklaverei eintraten. Es dauerte aber bis zu deren Ende in den USA bis 1865. Viel zum Verbot hat das Buch „Onkel Toms Hütte“ von Harriet Beecher Stowe beigetragen. Doch die Abschaffung sollte den Amerikanischen Bürgerkrieg auslösen und die Diskriminierung der Schwarzen US-Bürger fand damit noch lang kein Ende. Marcus Rediker hat mit seinem Buch ein Standardwerk über eines der erschütterndsten Kapitel der Menschheitsgeschichte geschrieben.
Thomas Mahr

Marcus Rediker
„Das Sklavenschiff“

Eine Menschheitsgeschichte
448 Seiten
Verlag Assoziation A
24,- Euro

Niederlande zu Gast auf der Leipziger Buchmesse
„Antoinette“ heißt der kleine Roman des holländischen Autors Robbert Welagen. Mondäner Schauplatz der Handlung, die nur einen einzigen Tag umfasst, ist eines der berühmten Thermalbäder in Budapest. Die Geschichte selbst ist aber in einem schlichten Erzählton geschrieben. Ein Mann wartet auf seine ehemalige Frau. Es wird aber schnell klar, dass diese nicht kommen wird. Es ist Jahre her, seit die Beziehung der beiden gescheitert ist. Der nicht zu erfüllende Kinderwunsch der beiden entzweit das Paar, das anfängliche Glück zerbricht. Obwohl der Roman einem präzisen Bericht gleichkommt, schwingt doch viel Wehmut und Melancholie mit. Die Gedankengänge des Erzählers sind für den Leser so gut nachvollziehbar und so wir er für den Protagonisten eingenommen.
Thomas Mahr

Robbert Welagen
„Antoinette“

148 Seiten
Verlag Freies Geistesleben
20,- Euro

Haben sie nicht irgendwas Lustiges?
Eine Frage, die uns in letzter Zeit immer häufiger gestellt wird. Ja, haben wir. Zum Beispiel der Roman des spanischen Autors Isaac Rosa mit dem Titel „Ein sicherer Ort“. Einen solchen zu finden, ist ein großer Wunsch in gefährlichen Zeiten. Manches Mal bleibt einem bei diesem Buch auch das Lachen im Halse stecken angesichts der weltpolitischen Lage. Der Ich-Erzähler im Buch weiß Rat. Er verkauft Bunker für das kleine Geld des Mittelstands, geht dafür von Haus zu Haus und erlebt die skurrilsten Geschichten. Messerscharfe Satire, urkomisch porträtiert Isaac Rosa eine Gesellschaft, die unter dem Motto lebt: „rette sich wer kann“
Thomas Mahr

Isaac Rosa
„Ein sicherer Ort“

320 Seiten
Liebeskind Verlag
24,- Euro

In der Buchhandlung Mahr erhältlich!

Lustig und listig
Alte Röhrenbildschirme finden sich fast nur noch im Sperrmüll, das allabendliche Fernsehprogramm, das Jahrzehnte lang hintereinander genossen wird, ist zum Auslaufmodell geworden. Allerhöchste Zeit, gemeinsam mit Jochen Schmidt fernzusehen. Seine meist humorvollen Kolumnen stellen eine außergewöhnliche Kulturgeschichte unserer Fernsehrepublik dar. Die kleinen Fundstücke treiben ganz schön Schabernack mit den eigenen Fernsehgewohnheiten, wenn man bei „Bares für Rares“ einfach nicht umschalten kann.
Wie werden wir leben ohne den Tatort, die Samstagabend-Quizshow und den täglichen Nachrichten, wenn die Sendezeit nicht mehr vorgeschrieben ist? Lesen sie Jochen Schmidt, der Schriftsteller hat ein kluges Buch geschrieben und ein witziges Porträt unserer Gesellschaft.
Thomas Mahr

Jochen Schmidt
„Zu Hause an den Bildschirmen“

Schmidt sieht fern
287 Seiten
Beck Verlag
24,- Euro<

Die 80er – zurzeit das meistgefeierte Jahrzehnt
Die amerikanische Filmemacherin und Autorin Tamar Halpern räumt ganz schön auf mit dem Klischee, dass damals die Welt noch in Ordnung war. Mit „California Girl“ beschreibt sie eine 14jährige, die hin- und hergerissen wird zwischen Hippie-Mutter und Professoren-Vater. Die „freie Liebe“ hat die Eltern auseinandergerissen. Die Lügen der Erwachsenen und deren Dekadenz kann das Mädchen nur mit Marihuana und dem Soundtrack jener Jahre ertragen. Sie probiert Outfits, Identitäten und Drogen bis sie der Wahrheit näherkommt und das hipe Leben im Fernando Valley entzaubert.
Thomas Mahr

Tamar Halpern
„California Girl“

304 Seiten
Diogenes Verlag
23,- Euro


Nun kann das Weihnachtsgeschäft kommen!
Wir sind gerüstet. Wieder einmal war die Buchhandlung voll besetzt mit neugierigen Leserinnen und Lesern, die wissen wollten, was wir so entdeckt haben. Roman, Sachbuch, Vorlese- und Weihnachtsbuch waren bei den Lesetipps dabei. Und wir haben die Vermutung, dass so mancher Besucher mit seinen Schätzen zuhause angekommen, noch nicht so schnell ins Bett fand, weil er oder sie erstmal selbst rein- und weiterlesen wollte…

An den kommenden Adventssamstagen haben wir bis 16 Uhr geöffnet und noch jede Menge Geschenk-Ideen für sie bereit. Und wir freuen uns sehr auf Ihren Besuch!

Hier finden Sie die Titel der Bücher, die in unserem 52. Literarischen Quartett besprochen wurden:

Uwe Timm
„Alle meine Geister“

Kiepenheuer & Witsch
288 Seiten
25.-- Euro

Alhierd Bacharevič
„Das letzte Buch von Herrn A.“

EditionFotoTapeta
464 Seiten
25.-- Euro



Lina Nordquist
„Mein Herz ist eine Krähe“

Diogenes
464 Seiten
25.-- Euro

Marianne Philips
„Hochzeit in Wien“

Urachhaus
248 Seiten
24.-- Euro



Alida Bremer
„Tesla oder die Vollendung der Kreise“

Jung und Jung
368 Seiten
25.-- Euro

Konstantin Ferstl
„Die blaue Grenze“

Rowohlt, Berlin
400 Seiten
24.-- Euro



Heather Marshall
„Frag nach Jane“

Arche Verla
432 Seiten
24.-- Euro

Wolf Haas
„Eigentum“

Hanser
160 Seiten
22.-- Euro



Edi Matic
„Abtrünniger vor Inselpanorama“
Edition CONVERSO
256 Seiten
24.-- Euro

Ivica Prtenjaĉa
„Der Berg“

Folio, Wien
168 Seiten
22.-- Euro



Max Richard Leßmann
„Sylter Welle“

Kiepenheuer & Witsch
224 Seiten
22.-- Euro

Simon Sebag Montefiore
„Die Welt“

1536 Seiten
Klett-Cotta
49.-- Euro



Florian Illies
„Zauber der Stille“

S. Fischer Verlag GmbH
256 Seiten
25.-- Euro

Alex Rühle
„Europa - wo bist du?“

DTV
416 Seiten
25.-- Euro



Paolo Rumiz
„Europa. Ein Gesang“

Folio, Wien
232 Seiten
25.-- Euro

Alex Rühle
„Zippel macht Zirkus“

DTV
144 Seiten
16.-- Euro



Kathrin Wolf
„In einem alten Haus in Berlin“

Gerstenberg Verlag
64 Seiten
28.-- Euro

Emma Thompson
„Jims brillante Weihnachten“

Beltz
80 Seiten
17.-- Euro