Ein Kater, wie ihn noch keiner erfand
Es ist schon eine Dreistigkeit, die sieben Leben eines Katers herzunehmen und uns die Geschichte von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart zu erzählen. Aber welch anderes Tier hat schon jenes Privileg und als bekannt eigenwilliges Haustier gibt es über die Jahrhunderte einiges zu erzählen. „Matou“ heißen Roman und gleichzeitig auch dessen Hauptfigur, der altkluge Kater, ein Meister der Erzählung. Und zum Berichten gibt es in all den Jahren reichlich, wen wunderts, dass dabei 1000 Seiten zusammenkommen. Matou hat es sich tatsächlich zum Ziel gesetzt, die Menschen verstehen zu wollen, dafür lernt er deren Sprache und sogar mit der Pfote zu schreiben. Es bedarf schon einiger literarischer Purzelbäume, damit der Kater so richtig zum Schnurren kommt. Dabei erlebt der Homer der Katzenwelt jede Menge Abenteurer jenseits seiner philosophischen Auslassungen. Kein Wunder also, dass wir auch auf E. T. A. Hoffmann treffen, der vielleicht mit seinem Murr unserem Matou auf die Sprünge half.
Michael Köhlmeier
„Matou“
Richtig glücklich sind Buchhändler, wenn vor, während und nach einer Lesung eine so wundersame Harmonie zwischen Autor/in und Veranstalter entsteht. Herzlich die Begrüßung, ungemein anregend das Gespräch auf der Bühne, der Vortrag und dann gemütlich der Nachklang beim Wein. Dass aber Jenny Erpenbeck dann noch am nächsten Vormittag unsere Buchhandlung besucht und ihren sehr sympathischen Mann mitbrachte, macht Jenny Erpenbecks Auftritt in Langenau zu einem Höhepunkt im Buchhändleralltag. Und um es nicht zu vergessen, die trüben Novembertage sind bestens geeignet, Ihren großartigen und von den Kritikern so gefeierten Roman „Kairos“ zu verschlingen.
Jenny Erpenbeck
„Kairos“
Lesung
Freitag, 12. November - 20 Uhr
Langenau Pfleghofsaal
Ein Künstler der alten Schule
Herzerfrischend lachen kann der Leser bei Kristof Magnussons neuem Roman über den Kunstbetrieb. Der buntgemischte Haufen an Mitgliedern eines Fördervereins besucht den großen Künstler KD Pratz auf seiner Burg am Rhein. Nichts weniger als ein Museumsanbau in Frankfurt soll dem großen Meister gewidmet werden. Doch prallen die enthusiastischen Erwartungen des Panoptikums der Kunstbeflissenen auf einen eitlen Künstler, der alles andere als dankbar ist. Der grantelnde Maler teilt gründlich aus. Das bekommen nicht nur seine Gäste zu spüren, wenn er den ganzen Kunstbetrieb in Bausch und Bogen beschimpft. Zwangsläufig wird diese Tirade über die Unvollkommenheit der Welt zu einer herrlichen Satire. Doch der Autor wartet mit der einen oder anderen Wendung auf, so dass der Leser recht schnell aus seiner Erwartungshaltung gerissen wird.
Kristof Magnusson
„Ein Mann der Kunst“
Lesung
Donnerstag, 28. Oktober - 20 Uhr
Langenau Pfleghofsaal
Kaiserwetter in Langenau
Eingeweihte behaupten, am 3. September ist das Wetter in Langenau schon immer schön gewesen, zumindest die letzten 37 Jahre. Damals hat die Buchhandlung zum ersten Mal ihre Tore geöffnet und zu diesem Jubiläum sei es immer schön gewesen. Mit dem Auftritt von Alida Bremer kam nun noch eine Lesung hinzu, die die Zuhörer nach Dalmatien an den Strand von Split entführte. Es war der Sommer 1936, ein deutsches Filmteam versuchte sich in Kroatien an Unterwasseraufnahmen und kam in eine Stadt, die durch die politischen Umstände ohnehin schon aufgeladen war.
Doch Alida Bremers Roman „Träume und Kulissen“ ist nicht ausschließlich ein Krimi, obwohl der Roman mit einem Mord beginnt. Es ist auch kein Liebesroman, wobei ein Sommer am Meer natürlich nicht ohne die Liebe auskommen kann. Es ist ebenso ein historischer und politischer Roman, doch in erster Linie ist er eine Liebeserklärung an Split, diese wunderschöne Stadt am Meer, die aus einem römischen Kaiserpalast erwachsen ist. Die malerische Abendstimmung auf dem Pfleghof ließ den Sommer noch einmal zurückkommen. Das lebendige Gespräch zwischen Autorin und Buchhändler wechselte ab mit der Lesung aus dem Roman und stimmungsvollen Akkordeonklängen, mit denen Peter Gerter den Abend erst recht verzauberte.
Blinddate mit dem adriatischen Meer
Es gibt einen Mord, aber es ist kein Krimi, zumindest nicht ausschließlich, ein Sommer in dem geliebt wird und doch ist es kein Liebesroman. Die letzte Lesung als Blinddate auf dem Pfleghof führt uns wieder in den Süden, ans Meer. Wunderbare Strände hat jene Stadt, die sich im Palast eines römischen Kaisers angesiedelt hat. Wir werden eine Zeitreise unternehmen, fast 90 Jahre zurück. Wir werden über die Promenade laufen, werden uns von den Gerüchen der Märkte und der Restaurants verzaubern lassen und erleben einen Roman, der eine Liebeserklärung an diese Stadt ist. Natürlich wird dazu wie in einem sommerlichen Straßencafé passend Musik aufspielen.
Freitag, 3. September, 20 Uhr
OpenAir auf dem Pfleghof
Ein sommerlicher Sehnsuchtsort in Ungarn
Der Balaton (Plattensee) ist der Held der Novellen von Noémi Kiss. Mal ist die „ungarische Badewanne“ das Paradies und war bis 1989 der Sehnsuchtsort der urlaubshungrigen Deutschen diesseits aber vor allem jenseits des Eisernen Vorhangs. Zu Anfang las noch die Autorin selbst aus dem Buch, auch ein kleines Stück auf Ungarisch, dann übernahm die Schauspielerin Margarete Lamprecht das Lesen. Unter dem Titel „Honeckers Latschen“, jene Holzsandeln mit nur dem schmalen Lederriemen, fängt die Erzählung die Stimmung des letzten Sommers vor der politischen Wende ein. Der Balaton kann aber auch unberechenbar werden, wenn junge Segler sich zu weit hinaustrauen und vom Sturm überrascht werden. Mit „Tante Klara“ folgte anschließend eine sehr persönliche Geschichte: Eine Tante, die bei den Erwachsenen überall aneckte bei den Kindern aber sehr beliebt war.
Welch ein Glück, das Wetter hielt, auch wenn die Temperaturen alles andere als hochsommerlich waren und zur Stimmung trug wieder einmal Tamás Füzesi, ein Geiger mit ungarischen Wurzeln, bei. Auch wenn sich mancher nach ungarischen Geigenstücken gesehnt hatte, untermalten Füzesis Bachinterpretationen die Literatur und sorgten für einen stimmungsvollen Abend.
Das Wetter hat gehalten, im Gegenteil es wurde ein wunderschöner Sommerabend, fast so, als wären wir und das Publikum, tatsächlich an einem der vorgestellten Strände gewesen. Bettina Baltschev nahm uns mit auf eine geografische und historische Reise zu den Stränden an Nord- und Ostsee und auch in den sonnigen Süden Italiens und Spaniens. Sie erzählte von dem Wandel der Badekultur im Lauf der Zeit – vom verstecken Vergnügen im Nass, im Badekarren, bis hin zur Freikörperkultur in Hiddensee in Zeiten vor der Wende. Was war das für ein Weg von den ersten Badegästen des 19.Jahrhunderts bis hin zur Gegenwart mit Massentourismus, bei dem es an manchen Stränden nicht ganz einfach ist, sein handtuchbreites Stück Sand am Meer zu verteidigen.
Die Meeresromantik kam nicht zu kurz, zumal Tamás Füzesi an der Geige und Giovanni Piana am Klavier – beide vom Ulmer Theater – mit Tschaikowski den Abend musikalisch ergänzten und Bettina Baltschev am Ende noch ein Gedicht von Ingeborg Bachmann las, das vielleicht am Strand von Ischia entstanden ist.
Unser nächster Blinddate wird uns wieder an ein Gewässer führen, in ein östliches Land. Und dort sollte sich weltpolitisch einiges verändern. Aber die Novellen des Abends handeln nicht nur von der großen Politik, sondern auch von kleinen Begegnungen, zum Beispiel Deutsch-Deutscher… Und die Geige ist hier erst recht am richtigen Platz.
Die Kultur kehrt zurück auf den Pfleghof
Unser Sommerfestival kann beginnen!! 2021 wird noch mehr geboten als im ohnehin schon sehr erfolgreichen vergangenen Jahr. Neben den Blinddates vom 25. Juni bis zum 3. September – immer freitags um 20 Uhr – gibt es in diesem Jahr auch angekündigte, kulturelle Höhepunkte, nicht anders zu erwarten, birgt doch das Pfleghofprogramm immer schon höchste musikalische Qualität. Aber auch die Familiensonntage bieten Außergewöhnliches zum kleinen Eintrittspreis. Während der erste Blinddate einen ganz großen Vertreter der deutschen Kulturszene auf die Bühne bringt, führen sie die Blinddates der Buchhandlung ansonsten an sommerliche Sehnsuchtsorte. Ausführliches im Flyer, den es hier nachzulesen gibt.
"Er singt, weil er ein Lied hat und schreibt, weil er uns etwas zu sagen hat"
Was für einen unbeschreiblichen Auftakt des Langenauer Kultursommers 2021 durften wir am Abend das 25. Juni erleben. KONSTANTIN WECKER nahm das anwesende Publikum mit auf einen Streifzug durch seine Lebenserfahrungen und Erlebnisse, seine Gedichte und Lieder, sowie politische Anregungen. Dabei stand nicht nur die Solidarität neben der Poesie und Lyrik im Vordergrund, auch ließ uns Konstantin in sein Herz blicken und erreichte damit die Herzen der Zuschauer*innen. Für Abwechslung und Lacher, aber auch für nachdenkliche Versunkenheit und Mut sorgte der Künstler gehörig. Klar wurde dabei, dass das Leben in jeder Situation vielschichtig ist und ein facettenreiches Potpourri bereithält. Ein Erlebnis ist nicht nur gut oder schlecht, es ist vielschichtig in seinen Eindrücken. Und so wird aus einer erdrückenden, beschämenden Zeit im Gefängnis, eine Zeit einer innigen Freundschaft, Poesie, Operettengesang am Fenster oder übers „Klo-Telefon“. Wir wissen nun: oft braucht es zum Schreiben von Gedichten nicht nur Ruhe und Vorbilder, sondern vielleicht auch einen Maulbeerbaum.
Mitzunehmen aus dieser Veranstaltung wäre unbedingt: Das Leben ist bunt und wir sollten freudig, couragiert und voller Tatendrang in die Zukunft blicken. Denn „Wer KEINE Visionen hat, sollte dringend zum Therapeuten gehen.“ (Konstantin Wecker).
Wie wichtig und wohltuend ist es doch wieder vermehrt Menschen begegnen und Kultur erleben zu können. Diese Begegnungen bereichern unsere Seele, unseren Alltag und die Gesellschaft. Wir freuen uns daher sehr, dass wir auch dieses Jahr wieder einen KULTURSOMMER 2021 ermöglichen konnten. Eine Kooperation der Stadt Langenau, der Stadtbibliothek, der vh Ulm und der Buchhandlung Mahr. Nehmen Sie die Einladung an und freuen Sie sich auf zahlreiche, unterschiedliche kulturelle Veranstaltungen – so bunt und facettenreich wie das Leben selbst. Karten gibt es unter www.reservix.de oder direkt in der Buchhandlung Mahr.
Dara Domenico
„Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall“
Taschenbuch
480 Seiten
Kiepenheuer & Witsch
12,- Euro